- 05.01.2008, 17:59
#178368
Hallo, Heinz-W.,
sei mir nicht böse, aber mit den Begriffen "unhöflich" und "arrogant" sprichst Du ein Urteil über diese Menschen, die sich nicht mit ihrem Namen "outen".
Es ist leicht, jemanden zu richten, zumal es im Menschen verankert zu sein scheint, bei anderen den Staatsanwalt zu mimen, bei sich selbst jedoch immer gerne Verteidiger ist.
Eventuell hast Du aber auch nur gemeint, dass Du es lieber sähest, wenn sich alle mit Namen im Forum erklären. Dann bin ich Deiner Meinung, auch ich fände das schöner.
Aber vielleicht gibt es aus der Sicht derjenigen, die sich nicht outen, Gründe, weshalb sie das nicht tun möchten. Diese mögen durchaus außerhalb des Rationalen, also "nur" aus einem Gefühl entstanden sein.
Jene Gründe dafür mögen wir vielleicht nie kennenlernen, vielleicht nicht einmal nachvollziehen können, wenn wir sie wüssten, aber den Umfang und die Größe der Privatsphäre eines Anderen sollten nicht wir für ihn festlegen, das kann nur jeder für sich selbst.
Das mag ein wenig sein, wie bei der Wildtierbeobachtung oder im Zoo:
Das eine Tier wagt sich näher an Dich dran, lässt sich streicheln und füttern, während das andere, das vielleicht abseits stehen bleibt, Dich nur misstrauisch ansieht. Es mag keinen Grund geben, weshalb es misstrauisch ist, es aber nur zum Näherkommen zu zwingen, wäre Nötigung und würde das Misstrauen dann sogar nachträglich rechtfertigen...
Wir sollten daher jedem Einzelnen selbst überlassen, wie nah er uns anderen kommen und sein möchte und diese Entscheidung akzeptieren und tolerieren.
Vielleicht wächst in denen, die anonym bleiben möchten ja irgendwann ein so großes Vertrauen in die Community, dass sie dann dazu bereit sind, aus der selbstgewählten Anonymität herauszutreten, erzwingen sollte man so etwas allerdings nicht.
Dazu beitragen können wir alle, indem wir freundlich und sachlich, manchmal vielleicht auch ein bisschen lieb miteinander umgehen.
Es gab früher im Wortschatz die Begriffe Demut und Barmherzigkeit.
Beide werden heute - wenn man sie denn überhaupt noch kennt - in der Welt als Schwächen bezeichnet, das genaue Gegenteil ist aber der Fall. Sie ermöglichen Toleranz!
Toleranz ist eines der höchsten Güter einer freiheitlichen Grundordnung und das wohl mit am meisten strapazierte zugleich.
Grüße
Holger
There is no absolute knowledge. And those who claim it, whether they are scientists or dogmatists, open the door to tragedy. All information is imperfect. We have to treat it with humility.
Jacob Bronowski, scientist, "The Ascent of Man", 1973