- 10.11.2009, 20:25
#277579
Die Übertragung der Unwucht ist erledigt.
Das habe ich bei einem Lohnwuchter machen lassen.
Es hat gut eine halbe Stunde gedauert und ich habe Einiges dabei gelernt. Das will ich Euch nicht vorenthalten.
Die Aufgabe lautete ja wie folgt:
Es geht um einen Dieselmotor Mercedes Benz OM636, den ich mit einem anderen Schwungrad ausstatten möchte.
Dazu soll die Unwucht des ursprünglichen (mit der Kurbelwelle dynamisch gewuchteten) Schwungrades statisch gemessen und auf das andere übertragen werden. Die Wuchtbohrungen werden lt. Herstellerangaben auf einem Radius von 110 mm mit Durchmesser 10 mm axial bis max. 30 mm tief gebohrt.
Die Genauigkeit bei der Übertragung soll besser sein als 150 gmm.
Hier nun die Daten des Schwungrades:
Masse ca. 14 kg
Abmessungen: Außendurchmesser 290 mm, Dicke 70 mm, Bohrung 70 mm
Das Schwungrad des neuen Motors wurde auf eine Wuchtmaschine gebracht. Die sieht aus wie ein großer Plattenspieler, nur ohne Tonarm, dafür aber mit integrierter Auswerteelektronik für die auftretenden Vibrationen. Die Platte hat eine Drehwinkelskalierung in Winkelgraden, damit man die gemessenen und am Bildschirm angezeigten Winkel auch am Werkstück „sehen“ kann. In der Mitte ist ein vertikaler pneumatisch betätigter Spanndorn mit Spannhülse und Kunststoffadapterbuchse, welcher das Werkstück spielfrei aufspannt. Für die Messungen wurde das Schwungrad mit 600 min^-1 motorisch angetrieben.
Alleine beim unterschiedlich Aufspannen ergaben sich Abweichungen von +/- 25 gmm. Dann wurde die Unwucht in mehreren Messungen auf Umschlag gemessen: Ca. 900 gmm auf x°. (Ich hatte zuvor auf meiner provisorischen Messvorrichtung mit Haarlinealen eine Unwucht von größenordnungsmäßig 1000 gmm auf x° festgestellt. Nicht schlecht, oder?)
Das war nun der erste und einfachste Teil der Übung. Es handelte sich dabei laut dem Fachmann um eine statische Messung, obwohl der Prüfling in Rotation war. Aber unter dynamischem Wuchten versteht er den Ausgleich von statischer- UND Momentwucht. Die Wuchtmaschine wertet aber nur eine Schwingungsebene (nur horizontal) aus und misst daher trotz Bewegung des Prüflings nur die statische Unwucht.
Auch bei dem Schwungrad des alten Motors bestätigte sich meine eigene Messung ziemlich genau mit ca. 800 gmm auf y°. Unser Fachmann, der meist bestrebt ist, Unwuchten weitestgehend zu eliminieren, stand zunächst etwas ratlos da, weil er es nicht schaffte, Winkel und Größe der Unwucht in gewünschtem Maße gleichzeitig zu verändern. Er benutze dafür Knetgummi, welches er in variabler Menge und nacheinander auf verschiedenen Positionen am Umfang anklebte. Ziel war es, die geeignete Menge und Position Knetgummi zu bestimmen, um es dann abzunehmen, zu wiegen und durch Ausbohren der selben Masse auf der gegenüberliegenden Seite des Schwungrades zu ersetzen. Wie gesagt, das klappte zunächst gar nicht. Bis klar wurde, dass dies in einem Schritt nicht zu erreichen war. Also wurde zuerst der Winkel auf x° eingestellt, das Knetgummi abgenommen, gewogen und in gleichem Maße auf der gegenüberliegenden Seite ausgebohrt. Im zweiten Schritt erst wurde die Unwucht mit Knete auf das gewünschte Maß gebracht ... und wieder auf der gegenüberliegenden Seite ausgebohrt. Nun stimmten die beiden Schwungräder mit einer Toleranz von etwa +/- 50 gmm bei x° überein.
Der Haufen ausgebohrter Späne aus insgesamt 5 Wuchtbohrungen verdeutlichte mir, dass die Aktion durchaus ihren Sinn hatte. Denn die zulässige Restunwucht in Höhe von 150 gmm wäre in meinem Fall durch reinen Schwungradwechsel weit überschritten und somit die zu erwartende Lebensdauer des neuen Motors eingeschränkt gewesen.
Liebe Grüße
Christoph (schreibt hier nicht mehr)
https://youtu.be/aDXokacl6Cc Bilder einer Werkstatt
https://youtu.be/dxRgsTAtpCs - Feinmechanische Arbeiten auf einer alten Drehmaschine
https://youtu.be/NkdJCcsWyds - Kombipresser mit neuer Zahnradpumpe
optimog@gmx.de