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Moderator: Helmut Schmitz

#258773
Im Folgenden werden nur die wesentlichen Systeme, die u.a. auch für unsere Unimogs relevant sind, vorgestellt.

Mit Ein-/Zweikreisbremse ist immer die Funktionsweise der Betriebsbremsanlage eines Kfz unabhängig vom Bremsdruck übertragenden Medium gemeint.

Einkreisbremse
Unabhängig von der Betriebsart (hydraulisch, pneumatisch unterstützt, pneumatisch) wirkt ein Bremskreis auf alle Räder, d.h. bei einem Leck am Hauptbremszylinder, einem der Radbremszylinder oder einer der Bremsleitungen fällt die Betriebsbremse komplett aus, da der über das Bremspedal im Hauptbremszylinder erzeugte Bremsdruck über die Leckstelle entweicht.

Zweikreisbremse
Hier wird die Betriebsbremse in 2 in sich geschlossene Bremskreise aufgeteilt, bei Ausfall eines Bremskreises bleibt der 2. Bremskreis betriebsfähig.
Äußerlich erkennbar ist die Zweikreisbremse an dem 2-Kammer Hauptbremszylinder, von jeder Kammer geht eine Bremsleitung ab.
Die Ausgestaltung der Zweikreisbremse kann auf unterschiedliche Weise erfolgen.

Die einfachste Variante ist die achsweise Aufteilung, ein Bremskreis versorgt die Vorderachse, der andere die Hinterachse.
Vorteil: sehr einfache technische Realisierung
Nachteil: bei Ausfall des Vorderachsbremskreises stark verminderte Bremsleistung, da die Hinterachse nur ca. 30% der Gesamtbremsleistung übernimmt.

Eine weitere Variante ist die diagonale Aufteilung, je ein Bremskreis versorgt ein Vorderrad und das gegenüber liegende Hinterrad.
Vorteil: auch hier sehr einfache technische Realisierung, bessere Bremsleistung als bei der achsweisen Aufteilung, da immer ein Vorderrad mit bremst
Nachteil: Gefahr des Ausbrechens bei Gefahrbremsung

Bei heute gängigen Zweikreisbremsen wirken beide Bremskreise auf beide Räder der Vorderachse (doppelte Radbremszylinder bzw. Bremssättel) und auf jeweils ein Rad der Hinterachse.
Vorteil: die Bremsleistung der Vorderachse bleibt bei Ausfall eines Kreises voll erhalten
Nachteil: technisch aufwändig wegen des doppelten Bremssystems an der Vorderachse

Ein-/Zweileitungsbremse
Hiermit ist immer die Anhängerbremsanlage bei druckluftgebremsten Anhängern gemeint.

Einleitungsbremse
Über einen Luftschlauch wird die Anhängerbremsanlage mit Luft versorgt, solange der Zug nicht gebremst wird. Beim Bremsen fällt der Druck in dieser Leitung von max. 5,3bar je nach Stärke der Bremsung bis auf 0bar ab. Der Druckabfall bewirkt, dass die Anhängerbremse über den Druck im Vorratskessel des Anhängers ausgelöst wird.
Hier zeigt sich schon der entscheidende Nachteil der Einleitungsbremse:
während der Bremsung kann der Vorratskessel des Anhängers nicht mit Luft versorgt werden, bei längeren Bergabfahrten mit Dauerbremsung ist der Vorratskessel irgendwann leer und die Anhängerbremse funktionslos. Deshalb sind Einleitungsbremsen im Bereich der STVZO nur noch an Anhängern mit einer Betriebsgeschwindigkeit von max. 25km/h erlaubt (unabhängig davon, ob es sich um zulassungsfreie oder zulassungspflichtige Anhänger handelt)

Zweileitungsbremse
Wie der Name schon sagt, führen 2 Luftleitungen zum Anhänger, 1 Vorratsleitung (rote Kupplung) und 1 Steuerleitung (gelbe Kupplung).
Über die Vorratsleitung wird der Vorratskessel des Anhängers permanent mit Druckluft versorgt.
Die Steuerleitung ist normalerweise drucklos, bei einer Bremsung steigt der Druck in der Steuerleitung bis zum Betriebsdruck von 7,3bar an und löst die Anhängerbremsung aus. Auch während der Bremsung wird der Vorratskessel des Anhängers weiterhin mit Druckluft aus der Vorratsleitung versorgt.
Hinweis: die "Schweizer Variante" arbeitet mit Druckabfall in der Steuerleitung, nicht wie die oben beschriebene EG-Bremsanlage mit Druckaufbau. Diese Bremsanlagen sind nicht kompatibel zu den EG-Zweileitungsbremsen.

Abreisssicherung
Bei beiden Bremssystemen wird eine Vollbremsung des Anhängers ausgelöst, sobald sich dieser vom Zugfahrzeug löst.

Bei der Einleitungsbremse ist die Kupplung der Luftleitung so gestaltet, dass sich die Verbindung beim Abreissen des Anhängers selbsttätig löst (deshalb steht die Kupplung des Schlauchs im Betrieb senkrecht und in Lösestellung waagerecht zur Fahrbahn). Damit wird die Bremsleitung drucklos und der Anhänger führt eine Vollbremsung aus (soweit sich noch genügend Druckluft im Vorratsbehälter befindet). Gleichzeitig schliesst das Ventil des Kupplungskopfes am Zugfahrzeug, sodass die Luftanlage des Zugfahrzeugs betriebsfähig bleibt.

Bei der Zweileitungsanlage sind die Kupplungen so gestaltet, dass die Schläuche abreissen. Wird die Vorratsleitung drucklos, löst das Anhängerbremsventil ebenfalls eine Vollbremsung aus. Am Zugfahrzeug wird durch das Mehrkreis-Schutzventil bei Unterschreiten eines Mindestdrucks in der Luftanlage die Vorratsleitung geschlossen (der Druckabfall im Bremssystem soll dem Fahrer signalisieren, mal in den Rückspiegel zu schauen :wink: ).
Mehrkreisschutzventile sind nur eingebaut, wenn die Betriebsbremse des Zugfahrzeugs pneumatisch betätigt wird – beim 404 z.B. gibt es ein solches Ventil nicht, da er eine hydraulische Betriebsbremse hat, die vom Druckabfall in der Anhängerbremsanlage nicht beeinflusst wird, max. fällt der Druckluft-Bremskraftverstärker aus, soweit er denn verbaut ist.
Ein Unterdruck-BKV ist davon ebenfalls nicht betroffen.

Federspeicher-Bremszylinder
Der Federspeicher-Bremszylinder wirkt mechanisch (per Federkraft) normalerweise auf die Hinterachse und bewirkt eine Bremsung, solange der Betriebsdruck der Bremsanlage nicht erreicht ist. Federspeicher werden an LKWs mit pneumatischer Bremsanlage verbaut. Damit ein Fahrzeug mit Federspeicher auch ohne Betriebsdruck in der Bremsanlage rollbar bleibt (Abschleppen nach Motorschaden etc.), kann die Feder manuell auf Lösestellung gespannt werden.
Vielfach wird die Federspeicher-Funktion auch in Kombi-Bremszylindern oder Tristopzylindern verbaut, d.h. die Federspeicherfunktion ist in die Radbremszylinder integriert.

Anhängersteuerventil
Das Anhängersteuerventil befindet sich im Zugfahrzeug und steuert den Druckaufbau in der Steuerleitung (Zweileitungsbremse) bzw. Druckabfall in der Bremsleitung (Einleitungsbremse) abhängig von der Stärke der Bremsung. Das Anhängersteuerventil löst auch die Bremsvoreilung aus. Die Voreilung bewirkt, dass die Anhängerbremsanlage mit höherem Druck beaufschlagt wird (je nach Ausführung ca. 0,4 - 1,5bar), damit der Anhänger anfänglich stärker abgebremst wird und der Zug gestreckt bleibt.

Anhängerbremsventil
Das Anhängerbremsventil sitzt am Anhänger und steuert den Bremsdruck auf die Radbremszylinder abhängig vom Bremsdruck in der Steuerleitung. Ältere Anhänger haben ein Anhängerbremsventil mit manueller Lastregelung (Stellungen: lösen - leer - halb - voll). Bei modernen Bremsanlagen ist ein automatischer lastabhängiger Bremskraftregler (ALB) integriert. Je nach Einfederung der Achsen (bei luftgefederten Achsen je nach Druck in den Luftbälgen) wird der Bremsdruck erhöht oder reduziert.

Umbau Einleitungsbremse auf Zweileitungsbremse
Bis in die 1960er Jahre war die Einleitungsbremse Stand der Technik. In den 1970er Jahren wurde die Zweileitungsbremse für Anhänger mit einer bbH > 25km/h vorgeschrieben. Das führte dazu, dass Zehntausende LKW-Anhänger umgerüstet werden mussten. Dazu wurde das Anhängerbremsventil getauscht. Die Einleitungsbremse arbeitet mit einem Betriebsdruck von 5,3bar, die Zweileitungsbremse mit 7,3bar. Um nicht auch die Radbremszylinder tauschen zu müssen, wurde zusätzlich ein Druckreduzierventil verbaut, das den max. Bremsdruck auf 5,3bar beschränkt. Solche umgerüsteten Anlagen sind auch heute noch in Betrieb, z.B. bei den 1,5 und 3-Tonnern der ersten Generation der BW.

Dieser Artikel gibt meinen Kenntnisstand zu Bremsanlagen wieder, da ich kein Kfz-Techniker bin, kann er natürlich fehlerhafte, unpräzise Aussagen enthalten.
Falls solche erkannt werden,

Hinweise auf Fehler, Erweiterungen etc. bitte HIER vermerken.
ChristianFJD liked this
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