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Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 08.04.2015, 12:49
von OPTI-MOG
Nun kommt zunächst noch einmal die richtig gestellte Skizze.
Hierbei gibt es fünf wesentliche Elemente
(von rechts nach links):
1. Dichtlippe (mit Feder vorgespannt)
2. Drall auf dem Verschleißring
3. Schmutzabweiser
4. Labyrinth mit Stahlblechring
5. Ablaufbohrungen (6 Stück)
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 08.04.2015, 18:34
von OPTI-MOG
Der Drall ist sichtbar als Schliffbild auf dem Verschleißring.
Das Foto unten zeigt einen linken Verschleißring, der etwa 30 Tausend km gelaufen ist. Deutlich sichtbar sind die Rillen, welche (von rechts nach links) die Dichtlippe und der Schmutzabweiser hinterlassen haben.
Die Rille der Dichtlippe (rechts) ist dabei wegen der besseren Schmierung natürlich weniger tief als die des Schmutzabweisers (links), der naturgemäß mit mehr Schmutz belastet ist.
Trotz des eigentlich unspektakulären Verschleißbildes auf dem Ring war dieses System stark undicht. Sogar im Stand, denn der Dichtring hatte seine Elastizität und Vorspannung der Dichtlippe verloren.
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 08.04.2015, 22:37
von krabbler
moin,
das Bild bzw. seine Aussage fasziniert mich. War ich doch bisher immer davon ausgegangen, dass der Dichtring sich an der nicht achsialen Oberflächentextur zerschleißt und somit eher aufgibt.
mfG
Fabian
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 08.04.2015, 22:50
von OPTI-MOG
Moin Fabian,
das ist ja das faszinierende an der Dichtungstechnik. Sie hat nicht so viel mit Theorie sondern viel mehr mit Praxis zu tun. Für bestimmte Erscheinungen bastelt man sich dann hinterher ein Erklärungsmodell.
Morgen werde ich ein noch viel erstaunlicheres Beispiel vorstellen.
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 09.04.2015, 20:24
von OPTI-MOG
Jetzt kommt was für Dichtungstechniker mit starken Nerven.
Auch hier sieht man sehr deutlich den Drall auf der Oberfläche des Verschleißrings.
Gezeigt wird ein gereinigter rechter Verschleißring, der etwa 80.000 km gelaufen ist. Der Schmutzabweiser war bereits vollkommen verschlissen und somit funktionslos. Trotz des sehr schlechten Zustands des Dichtsystems war noch keine Leckage ausgetreten.
Wie derselbe Verschleißring direkt nach dem Ausbau ausgesehen hat, zeigt das Foto darunter. Der Schmutz haftete an wie aufvulkanisierter Gummi.
Es wird hier besonders deutlich, dass Schmutz und Feuchtigkeit von außen dem Dichtsystem enorm schaden können.
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 10.04.2015, 21:27
von OPTI-MOG
Jetzt kommt eine Überraschung - ein Dichtsystem, das nicht in meiner anfänglichen Recherche enthalten ist, mit ganz eigenartigen Nummern:
Verschleißring ohne Drall mit 140 mm Durchmesser (statt 136 mm wie bisher bekannt), 21 mm dick, 435 337 12 51
(Es soll auch 437 337 04 51 mit 137 mm geben.)
Wellendichtring braun mit Mercedesstern, mit Dichtlippe und zwei Abweisern, kein Labyrinth, mit Drall rechts UND Drall links, 140 * 165 * 9,5/12, 016 997 75 47
(Hierbei sind die Axialnut in der Radnabe und die 6 Ablaufbohrungen ohne Funktion.)
Sie wurden als Ersatzteile in einen 411 rechts eingebaut, sind 30.000 km gelaufen und noch absolut dicht. Zwischen den beiden Abweisern ist trockener Rost. Der äußere Abweiser ist stark verschlissen.
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 11.04.2015, 19:38
von OPTI-MOG
Es bleibt weiter spannend. Ein Verschleißring 416 337 00 51 wurde gefunden. Er ist bei 135,7 mm Durchmesser nur 19 mm dick. Dafür hat er eine 2 mm dicke Distanzscheibe, die wohl aus einer Serienfertigung stammt.
Welche Dichtung hiermit kombiniert war, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen. Jedenfalls handelt es sich um einen Verschleißring für links, der aber - nachweislich durch eine UNIMOG-Fachwerkstatt - rechts eingebaut gewesen war.
Er ist etwa 15.000 km gelaufen und wahrscheinlich wegen des falschen Dralls undicht geworden. Die Lauffläche lässt sich leider nicht mehr analysieren, das sie bereits nachgearbeitet wurde.
Vergleich im Foto: Links Verschleißring 21 mm dick, rechts 19 mm dick mit Distanzscheibe 2mm dick.
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 11.04.2015, 19:43
von krahola
Hallo Christoph,
wo in etwa sitzt bzw. Presst an deiner Skizze der O-Ring der Radnabe?
Gruss
Torsten
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 11.04.2015, 20:00
von OPTI-MOG
Hallo Torsten,
mit dem O-Ring meinst Du vermutlich die Spiralfeder, welche die Dichtlippe und damit die Dichtkante auf den Verschleißring drückt. Sie ist notwendig, weil das Elastomer schnell seine Vorspannung verliert. Eine Stahlfeder hält die Spannung deutlich länger aufrecht.
Die Vorspannung ist gerade so groß, dass im Stillstand keine Leckage auftritt und im Lauf der Verschleiß so gering wie möglich ist.
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 11.04.2015, 21:11
von OPTI-MOG
Liebe Unimog-Freunde,
nachdem wir nun genügend Verschleißringe und den tatsächlichen Verschleiß darauf gesehen haben - alle gezeigten Beispiele stammen übrigens von nur zwei 411 aus 1965, die nur ein halbes Jahr auseinander liegen - kommen wir zum Dichtring selber.
Bei einem neuen Wellendichtring ist die Dichtkante einer Dichtlippe eine nur wenige 1/10 mm breite "Kante". Durch die Reibung, die trotz aller hydrodynamischen Effekte da ist, ergibt sich zwangsläufig ein Verschleiß. Dieser findet so lange statt bis Verschleißring und Elastomer so weit abgetragen sind, dass - hauptsächlich statisch - die Vorspannung der Dichtlippe nicht mehr ausreicht um im Stillstand abzudichten.
Die Verschleißgrenze lässt sich nicht genau ermitteln, da hier zu viele Parameter beteiligt sind. Aber zum Beispiel eine "Eingrabung" um 0,3 mm (im Durchmesser) in den Verschleißring und eine 2 mm breite "Dichtkante" können noch ein dichtes System bilden.
Das erste Foto zeigt den Dichtring (rechts) mit auf 2 mm verbreiterter "Dichtkante" (links). Rechts davon der Abweiser.
Das Foto darunter zeigt den zugehörigen Verschleißring mit 0,3 mm "Eingrabung" (im Durchmesser) an der Dichtkante.
Aber wie gesagt: Immer noch dicht!
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 12.04.2015, 09:38
von krahola
Hallo Christoph,
du hast recht mit O-Rng habe ich mich falsch ausgedrückt.
zum erläutern ein Foto.
Wedi_Radnabe_01.jpg (28.49 KiB) 1891 mal betrachtet
So wird die Radnabe auf den "O-Ring" gepresst.
Wedi_Radnabe_02.jpg (28.69 KiB) 1891 mal betrachtet
Gruss
Torsten
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 12.04.2015, 10:49
von OPTI-MOG
Hallo Torsten,
Deine Fotos zeigen den Spezial-Wellendichtring 416 331 12 58 für links bzw. 416 331 13 58 für rechts (seit 1972).
Im Einbauzustand laufen 3 Kanten (1 Dichtkante, 2 Abweiser) auf dem Verschleißring, 2 weitere Kanten haben keinen Kontakt, auch nicht zur Nabe hin, jedenfalls beim 411.
Im Vergleich zum vorherigen Stand wurde bei der neuen Lösung von 1972 auch noch der Drall vom Verschleißring auf den Spezial-Wellendichtring verlegt und statt des sehr groben Labyrinths gibt es nun drei Schmutzabweiser, von denen die zwei äußeren wieder ein Labyrinth bilden. Das Dichtsystem hat entsprechend folgende Elemente:
1. Dichtlippe (mit Feder vorgespannt)
2. Drall auf Spezial-Wellendichtring
3. Schmutzabweiser
4. Zweiter Schmutzabweiser
5. Dritter Schmutzabweiser
6. Vierter Schmutzabweiser
7. Ablaufbohrungen (6 Stück)
Zwischen dem vierten Schmutzabweiser (6) und der Radnabe ist etwa 1 mm Spalt.
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 13.04.2015, 10:37
von OPTI-MOG
Nochmal der direkte Vergleich:
Bei der alten Lösung konnte Leckage zwischen dem (aufgenieteten!) Stahlblechring (4) und dem eigentlichen Dichtring herunterlaufen und direkt ins Innere der Bremstrommel gelangen.
Bei der neuen Lösung wird eine eventuell auftretende Leckage sicherer in die Axialnut der Nabe gebracht und kann dort nach außen ablaufen ohne die Bremstrommel zu gefährden.
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 13.04.2015, 20:04
von krahola
Hallo Christoph,
wie gross
ist der Spalt zwischen Verschleisring und Radnabe?
Gruss
Torsten
Re: Die wechselvolle und spannende Geschichte eines Dichtrin
Verfasst: 13.04.2015, 20:37
von OPTI-MOG
Hallo Torsten,
die Radnabe wird doch mit den 10 Schrauben fest mit dem Verschleißring verflanscht - jedenfalls beim 411.
Ist das auf Deinen Fotos eine Scheibenbremse? Da könnte ich mir vorstellen, dass Kante 5 und/oder 6 an der Radnabe - auf einer entsprechenden Oberfläche - Kontakt haben und gleiten. Da sollten keine Ablaufbohrungen sein wie beim 411, weil die nur auf die andere Seite der Scheibe führten. Auf den bisherigen Fotos ist das für mich aber nicht zu erkennen.