Hans-Peter Hegmann schreibt im Badischen Tagblatt zur Eröffnung der Sonderausstellung im Unimog-Museum:
Der Aufräumer und Schaffer
Seit 5. Mai ist im Unimog-Museum (UM) in Gaggenau die aktuelle Sonderausstellung mit dem Titel “Der Unimog als Baumeister” eröffnet.
Das Konzept des universal einsetzbaren Motorgerätes wurde auch recht schnell in der Bauwirtschaft erkannt. Besonders seine für damalige Verhältnisse enorme Zugkraft und die heute noch anerkannte außergewöhnliche Geländegängigkeit machten den Unimog zu einem Arbeitsgerät der ersten Stunde nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieser hatte als Erbe sehr viele Trümmergrundstücke hinterlassen, die aufgeräumt werden mussten. Neben vielen Frauenhänden kamen dabei oft die Universal Motorgeräte aus Gaggenau zum Einsatz. Die kleinen Unimog Typ 411 zogen dabei auch Vierachs-Tiefladeanhänger, auf denen mehrere Tonnen schwere Seil-Löffelbagger transportiert wurden. So auch 1957 bei der Baufirma Grötz in Gaggenau. Ein Foto aus dem Firmenarchiv, auf dem ein solcher Winzling einen riesigen Bagger durch Rotenfels zieht, diente auch als Vorlage für das aktuelle traditionelle Sondermodell. Diese werden zu jeder Sonderausstellung des UM hergestellt und können im Shop erworben werden.
Die in der Landwirtschaft häufig eingesetzte Möglichkeit, vorne am Fahrzeug Nebenaggregate anzutreiben, wurde im Baugewerbe mit der Installation eines Druckluftkompressors für Presslufthämmer ebenfalls oft ausgeschöpft. Daneben kamen besonders die ersten Unimog mit Pritschen-Sattelauflieger oder den in England entwickelten “Goose-Neck” Schwanenhals-Kippaufleger zum Einsatz. Mit ihren Durchschwenkmöglichkeiten zwischen 90 und 110 Grad erreichten sie auf engen Grundstücken eine enorme Wendigkeit.
Durch Aufbau von kleinen Betonmischern und Bestückung mit den ersten Fertigbeton-Pumpen durch die Firma Schwing waren die Gaggenauer wichtige Helfer beim Wiederaufbau und der Schaffung von neuem Wohnraum. Auch solche Fahrzeuge sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen, wobei die winzige Mischtrommel auf einem frühen Unimog heute für die Ziehung von Losen eingesetzt wird.
Eine weitere Variante, die von Mercedes-Benz angeboten wurde, waren die sogenannten Triebköpfe. Das bedeutet, dass der Unimog nur aus dem vorderen Teil mit Vorderachse, Fahrerhaus, Motor sowie Getriebe mit Antriebstrang ausgeliefert wurde. Der hintere Ausbau wurde durch Sonderaufbauten bei kleineren Spezialherstellern ergänzt. Einer dieser Hersteller war die Firma Lesa (Leo Sauer in Stolberg). In der Sonderausstellung ist ein Unimog Typ 416 mit einem 6 x 6 Ausbau von Lesa zu sehen. Die Firma ergänzte den Triebkopf mit einem Sonderrahmen, an dem zwei Unimog-Hinterachsen mit Blattfedern, anstelle der üblichen Schraubenfedern, montiert wurden. Mit einem großen Aufbaukran versehen wurde er an das Elektrizitätswerk Entreprise Générale d’Electricité in Frankreich ausgeliefert. Dieses errichtete mit dem Fahrzeug die ersten Fernleitungen in Frankreich. Inzwischen ist es über einige Umwege, allerdings ohne den Kranaufbau, 2015 bei einem Unimog-Begeisterten in Halsenbach gelandet.
So wie fast jedes der ausgestellten Fahrzeuge einen individuellen Aufbau erhielt oder oft sogar nur einmal hergestellt wurde, sind auch die verschlungenen Wege, die sie hinter sich haben. So wurde zum Beispiel der einzige noch erhaltene Unimog Typ 404 mit einem Aufsattelkran auf einem Schrottplatz in der ehemaligen DDR entdeckt, wo bereits die Presse auf ihn wartete. Der vor dem sicheren Tod bewahrte Oldtimer wurde jedoch nicht restauriert, sondern trägt noch immer die alte verwitterte Firmenaufschrift seines letzten Besitzers. Ob er in der Landmetzgerei zum Laden von Schweinehälften verwendet wurde, kann man bei den Unimog-Experten und ihren Führungen durch die Sonderausstellung erfahren.
Termin vormerken:
Am 7. Juli und 29. September finden auf nachgebauten Baustellen auf dem Außengelände des UM Vorführungen mit den historischen Baufahrzeugen statt.
Fotos: Michael Wessel