Gaggenau/Hannover – Vom 28. Mai bis 5. Juni 1972 stellte Daimler-Benz erstmals den MB-trac 65/70 in Hannover auf der Messe der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) vor. Er wurde zum Star der Messe und das Standpersonal musste Werkschutzmitarbeiter im Werk Gaggenau anfordern, die immer wieder die Halle sperrten, um den Besucherandrang zu bewältigen. Im Laufe der Aussstellung und noch vor Serienbeginnn in 1973 lagen dann bereits 300 Aufträge vor.
Die Arbeitsmaschine A 60
Wie es zu diesem Ableger des Unimog kam, ist in dem Buch „MB-trac – 1972 – 1991 – Typen – Technik – Tradition“ sehr anschaulich beschrieben:
Bereits 1967 wurde in Gaggenau über die Entwicklung einer langsam laufenden Arbeitsmaschine nachgedacht. Ausschlaggebend dafür waren die Entwicklungen in der Landwirtschaft. Veränderte Betriebsstrukturen verlangten höhere Motorleistung und Zuggkräfte. Dafür waren größere Räder und eine Hydraulikanlage unabdingbar.
Wie Marktuntersuchungen weiterhin zeigten, waren die Schnelllaufeigenschaft sowie die Ladepritsche des Unimog zur damaligen Zeit nur bedingt im landwirtschaftlichen Markt zu verwirklichen.“
Daraus folgerten die Gaggenauer Entwickler: „Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollte eine neue Arbeitsmaschine entwickelt werden. Die gezielt die in der Landwirtschaft vorherrschenden Arbeitsbedingungen und Anforderungen berücksichtigen sollte. Das Konzept des neuen Fahrzeugs wurde bewusst so ausgelegt, dass auf vorhandene Unimog-Aggregate zurückgegriffen werden konnte. Dahinter stand die Absicht, den neuen Ackerschlepper durch eine hohe Teilegleichheit zum Unimog trotz relativ geringer Stückzahl dennoch kostengünstig anbieten zu können.
Da auch bei der Produktion zu einem erheblichen Teil auf vorhandene Fertigungseinrichtungen zurückgegriffen werden konnte, ergaben die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sowie die verkaufspsychologische Untersuchungen durchaus eine Chance für das neue Produkt auf einem schon damals hart umkämpften Ackerschleppermarkt.
Die ersten Prototypen
Nachdem 1969 das erste Versuchsfahrzeug fertiggestellt wurde, folgten dann 1970 die ersten Praxistests in den Niederlanden.
Die laufende Überarbeitung des neuen Konzepts wurde bis 1971 fortgesetzt. Ende 1971 stand der erste MB-trac (Mercedes-Benz tractor) in Vorserienreife in den Gaggenauer Versuchshallen.“
Was nicht im offiziellen Rückblick zur Entstehungsgeschichte des MB-trac steht: Der MB-trac hatte in der Entwicklungsabteilung und im Unimog-Vertrieb nicht nur Befürworter, und so kam es, dass der Vorstand im November 1971 entschied, die Entwicklungsarbeiten hierfür einzustellen. Mehr noch: Die Prototypen sollten vernichtet werden. Nachdem einige Entwickler sehr viel Herzblut für das Projekt vergossen hatten, wurde aber alles, was in der Werkstatt vom Musterbau noch vorhanden war in einem „Schuppen beim Kanal“, so der damalige Versuchsmitarbeiter Rudi Schmitt, versteckt. Darunter auch zwei komplette Prototypen.
Daimler-Benz entscheidet sich doch für den MB-trac
Und dann kam plötzlich alles ganz anders, denn durch eine Indiskretion wurde bekannt, dass die Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) – damals schärfster Konkurrent des Unimog – 1972 auf der Messe der DLG mit dem Intrac einen Systemschlepper präsentieren wird, der dem MB-trac entsprach. Innerhalb von vier Wochen wurden die beiden Prototypen ausstellungfähig „hergerichtet“, Prospekte wurden erstellt und ein neuer Name gefunden: Aus der Arbeitsmaschine A 60 wurde der MB-trac 65/70 – dabei stehen 65 für 65 DIN PS und 70 für 70 SAE PS.
Die Premiere war dann ein voller Erfolg. Es entstand in den Folgejahren eine breit gefächerte MB-trac-Pallette vom 700er mit 48 PS bis zum 1800er intercooler mit 180 PS. Viele Gründe führten letztendlich dazu, dass die Produktion der MB-trac Ende 1991 eingestellt wurde.
Fotos: Mercedes-Benz und Michael Wessel
Das Bundesarchiv hat einen Beitrag zur DLG-Messe auf Youtube eingestellt: https://www.youtube.com/watch?v=t7fHUmVgjY8 –
Ab Minute 3.39 ist der MB-trac kurz zu sehen.
Zahlreiche Bücher sind zum MB-trac erschienen. So “MB-trac – Alle Modelle seit 1973” von Peter Schneider. Erhältlich im Buchhandel, im Unimog-Museum oder über www.buchundbild.de