Ein Fahrzeug für alle Fälle: Der Unimog, oder Universalmotorgerät, wie der direkt nach dem Krieg ursprünglich für Feldarbeit und Trümmerbeseitigung konzipierte kantige Alleskönner vollmundig heißt, ist mittlerweile überall zu finden, wo es auf Belastbarkeit und Zähigkeit ankommt. Das gilt sogar für Rennen. Dass die in Wettbewerben eingesetzten Unimog heutzutage weit entfernt von den ersten Wagen mit ihren 25 PS sind, ist klar, aber abgesehen von der Motorleistung, die inzwischen beim U 530 auf 300 Pferdestärken unter der Haube angewachsen ist, hat sich nicht allzuviel verändert.
Die auf zwei Kartoffelreihen ausgelegte Spurbreite von 127 Zentimetern, die Geländegängigkeit und das vielfältige Einsatzfeld, das schon bald Feuerwehren, Schneepflüge, Rettungsdienste und Expeditionen aller Art umfasste, haben den von Mercedes gebauten Unimog zu einem Fahrzeug gemacht, das seinesgleichen sucht.
Rallye-Fans und Mercedes-Fans an sich haben seit Jahren häufig die Unimog-Rennteams im Auge, obwohl bei den Sporttipps weiterhin die Motorsportwetten rund um die Formel 1 und die in ihren Wettquoten Bundesliga Vorrang haben.
Den ersten großen Erfolg in der jüngsten Vergangenheit hatte das Unimog Racing-Team aus Eggenstein im Jahr 2017. Bei der Offroad Rallye Breslau landeten sie mit einem in Eigenarbeit umgerüsteten Fahrzeug auf dem ersten Platz. Zwei Jahre später wiederholten Fahrer Steffen Braun und Navigator Christian Koepke den Triumph mit dem Nachfolgefahrzeug, dem in 1800 Arbeitsstunden zum Superoffroader gemachten RennMog II.
Die Rallye-Crew verpasste dafür dem markanten schwarzgelben Fahrzeug einen neuen Motor, der direkt hinter der Fahrerkabine sitzt und dank eines sondergefertigten Wendegetriebes um 180 Grad gedreht werden kann. Durch den Einsatz eines Mittelmotors ist das Gewicht nach hinten verlagert worden, so dass der RennMog II nach Sprüngen auf den Rädern und nicht wie sonst der Schnauze landet. Der neue Motor ist zudem um die 400 PS stärker, was beim Rennen rund zehn Prozent mehr an Tempo bringt und durch ein besseres Drehmomentverhalten einiges an Schalten erspart.
Ganz ohne Kinderkrankheiten kam allerdings auch dieser Umbau nicht aus. Beim ersten Rallye-Einsatz 2018, bei dem der RennMog II direkt von der Werkstatt auf die Piste kam, schied er vor dem Ende mit Motorschaden aus, weil sich eine Einspritzdüse überhitzt hatte.
Um 2019 besser gewappnet zu sein, packten die Eggensteiner jede Mege Ersatzteile ein, darunter in Eigenbau hergestellte, stabilere Einspritzdüsen. Wie gut das war, zeigte sich bereits in der ersten Etappe. Weil auch hier wieder eine Enspritzdüse überhitzte, fuhr das Team den Rest des Tages nur auf fünf Zylindern, bis abends die mitgebrachten Ersatzteile eingebaut werden konnten. Danach schien alles in trockenen Tüchern zu sein, und am Ende der vierten Etappe hatten Braun und Co. einen Vorsprung von 80 Minuten zum Zweitplatzierten. Doch bei der letzten Etappe, die in rund zweieinhalb Stunden über 142 Wertungskilometer und damit mehr als zehn Prozent der Gesamtstrecke ging, fiel der sechste Zylinder erneut aus. Der Abschnitt wurde zur nervenzerfetzenden Zitterpartie, bis der RennMog II schließlich mit einem Vorsprung von nun 60 Minuten als Sieger über die Ziellinie ging.
Auf den Lorbeeren ausruhen wollen sich die Eggensteiner aber keinesfalls. Ihr Ziel ist es, den Motor stabiler und das Fahrzeug leichter zu machen. Dabei wollen sie sich auf Dauer keinesfalls nur auf Europa beschränken, sondern es bis zur Wüstenrallye schaffen.
Damit würden Braun und sein Team mit ihrem RennMog II in die Fußstapfen einer deutschen Familie treten, die 1985 in ihrem U 1300 L die berüchtigte Rallye Paris-Dakar gewonnen hatte, die jedes Jahr für Motorräder, Lastwagen und Autos ausgetragen wird.
Karl-Friedrich Capito aus Neunkirchen hatte im Jahr zuvor gemeinsam mit seinen Söhnen in der französischen Hauptstadt den ersten Versuch gestartet. Dabei schlugen sie sich auch auf dem afrikanischen Abschnitt tapfer unter der sengenden Sonne und auf dem trügerischen Wüstensand. In Burkina Faso ging jedoch ihr Glück zu Ende. Weniger als 2000 Kilometer von ihrem Ziel im Senegal entfernt brach ein Simmering im Lenkgetriebe, das Getriebeöl lief aus, und für die Capitos war die Rallye vorüber.
Damit sich das nicht wiederholte, nutzten sie die Pause bis zum nächsten Jahr, um mit Hilfe von Mercedes ihr Fahrzeug für Paris-Dakar umzubauen. Der 5,6-Liter-Sechszylinder-Turbodiesel wurde auf 180 PS gebracht, das Fahrerhaus wurde verstärkt und bekam einen Überrollbügel, und für die Nachtetappen kamen sechs Zusatzscheinwerfer hinzu. Zwei Zusatztanks brachten die Treibstoffmenge auf maximal 540 Liter. Insgesamt kam der umgerüstete U 1300 L auf ein zulässiges Gesamtgewicht von 7,49 Tonnen. Navigiert wurde mit zwei Kompassen.
Obwohl die Capitos mit ihrem 120 Stundenkilometer leistenden Unimog bei weitem nicht den schnellsten Lastkraftwagen hatten, machten seine Wendigkeit und Leichtigkeit auf den engen, unebenen Wegen südlich der Sahara den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus. Die Capitos schrieben Unimog- und Rallye-Geschichte.
Das Siegerfahrzeug sollte keine weiteren Triumphe mehr erleben. Der U 1300 L wurde im gleichen Jahr bei einem Unfall in Gaggenau zerstört. Zum 60. Geburtstag des Mercedes-Unimog wurde eine originalgetreue Kopie des Paris-Dakar-Sieger produziert.
Für das heutige Unimog-Rennteam ist diese Geschichte ein Ansporn, auch wenn Breslau von der Rallye Dakar an Härte weit entfernt ist. Mit dem eigentlichen Wettbewerb, wie ihn die Capitos erlebt haben, hat die heutige Ausgabe nicht mehr viel zu tun. Der Start in Paris ist seit den 90er Jahren vorbei, und Dakar ist seit 2008 nicht mehr das Endziel. Stattdessen wurden die Rennen von 2009 bis 2019 in Südamerika ausgetragen, und seit 2020 findet die Rallye in Saudi-Arabien statt. Ihrem Status als eines der härtesten Rennen der Welt wird sie allerdings weiter gerecht, so dass selbst der beste Unimog alles aus sich herausholen müsste, um den Sieg von 1985 zu wiederholen.