Nachruf
Im Alter von 94 Jahren starb am 29. März der Unimog-Pionier Erwin Moll. Bereits 1949 war der gelernte Kfz-Schlosser bei Gebr. Boehringer in Göppingen in die neue Abteilung Unimog als Vorführer und Kundendienstmonteur eingetreten.
Erwin Moll (1924 – 2019)
Zunächst war er hauptsächlich in Deutschland tätig. Aber 1950 wurde ein Seilbahnprojekt in der Schweiz von ihm und seinem Kollegen Erich Grass durchgeführt und im Unimog-Prospekt von 1951 kurz vorgestellt. Wohl dadurch wurde die Schweizer Armee auf den Unimog aufmerksam, was zum ersten militärischen Großauftrag führte.
Die Erlebnisse hat Moll in einem Beitrag für den Band 1 der „Geschichten rund um den Unimog“ festgehalten, der hier mit erscheint.
Moll wurde der Vorführer für besondere Einsätze – insbesondere beim Militär und anderen potentiellen Großkunden. Auch bei spektakulären Filmen mit dem Unimog-S sitzt er am Steuer. Als Meister der Vorführwerkstatt wurde nach seinen Erfahrungen und Vorstellungen das Vorführgelände Ötigheim modelliert.
Erwin Moll war ein großzügiger Spender für die Stiftung Unimog-Museum. Zuletzt lebte er in Freiburg.
mw
Hier der Beitrag von Erwin Moll im Band 1 der “Geschichen rund um den Unimog” aus dem Jahr 1992:
Mit dem UNIMOG auf Eselspfaden
Erwin Moll
Im zweiten Gaggenauer UNIMOG-Prospekt wird stolz auf eine Geschichte verwiesen, die ich persönlich zusammen mit Herrn Grass erlebt habe.
Aus dem Gaggenauer Unimog-Prospekt von 1951
Gemeinsam waren wir damals in die Schweiz gefahren, um landwirtschaftliche Vorführungen mit unserem Fahrzeug zu machen. Leider mussten wir auch dort einmal mehr mit den üblichen Vorbehalten gegen den UNIMOG kämpfen, denn unser Fahrzeug wich für die damalige Zeit einfach zu sehr von den üblichen Schlepper-Konstruktionen ab und wurde deshalb nicht ganz ernst genommen.
Etwas niedergeschlagen saßen eines Abends Herr Grass und ich in unserem Hotelrestaurant in Zürich beisammen, als ein unbekannter Herr zu uns an den Tisch trat und fragte: “Gehören Ihnen die Fahrzeuge da draußen?” Wir bejahten und unser Besucher stellte sich uns als Technischer Leiter eines Bauprojekts vor. Er sei in der ganzen Welt herumgeflogen, so erzählte er uns, um ein Fahrzeug zu finden, das in der Lage sei, in den nächsten drei schneefreien Monaten Material für den Bau einer Pistenseilbahn beim Dent Blanche zu transportieren. Dort oben sollte ein Staudamm gebaut werden, doch hinauf auf den Berg führe nur ein schmaler Eselspfad …
Wir sahen uns an. Sollten wir den Versuch wagen? Wir brauchten nicht lange, um uns zu entscheiden: “Das probieren wir, hier kann der UNIMOG zeigen, was er kann!”
Am anderen Tag gingen wir zunächst einmal den Saumpfad zu Fuß nach oben. Auf dem Berg angekommen, sagte Herr Grass, der diese Vorführung leitete, zu unserem Begleiter, Herrn Geiger: “Das sollte man sich mal aus der Luft anschauen können, um einen besseren Gesamteindruck zu haben!“
Herr Geiger antwortete: “Das ist kein Problem! Kommen Sie später zum Flugplatz Sitten!”
Herr Grass berichtete uns dann später von einem halsbrecherischen Flug entlang der Felsen, an den wir in Zukunft immer erinnert wurden, wenn von dem berühmten Gletscherflieger Geiger die Rede war, der mit seinen Flügen unzähligen Menschen das Leben gerettet hat.
Doch zunächst mussten wir uns jetzt unserem UNIMOG widmen und ihn für diese schwierige Mission vorbereiten. Aus Platzgründen bauten wir einige Karosserieteile ab, dann folgte die erste Leerfahrt hinauf auf den Berg. An diese schwindelerregende Fahrt erinnere ich mich bis zum heutigen Tag.
Häufig mussten wir anhalten, um in den engen Kurven den Pfad zu verbreitern, und dabei ließ uns ein Blick in die Tiefe schaudern: auf der einen Seite der gähnende Abgrund, auf der anderen Seite ragten die Felsen steil empor. An einer besonders kritischen Stelle sicherte mich Herr Grass mit einem Seil um den Bauch. Herr Grass lief dann oberhalb der Felsen entlang, um mich vor einem tödlichen Absturz zu schützen.
Doch schon am zweiten Tag beluden wir unseren UNIMOG mit einer tonnenschweren Kabeltrommel und machten uns erneut an den steilen Aufstieg. Als wir oben ankamen, war die Mannschaft hellauf begeistert von unserem UNIMOG und seiner Leistung. Und der Erfolg blieb nicht aus.
Als Herr Grass abends stolz zu Hause anrief und berichtete, dass der Technische Leiter den UNIMOG vom Fleck weg kaufen wolle, hörte er zu seiner Überraschung und Freude, dass die Firma Losinger wenige Minute zuvor bereits sechs UNIMOG für das Projekt geordert hatte. Wir waren stolz wie die Schneekönige!
Mit unseren Vorführfahrzeugen übernahmen wir dann auch in den nächsten Tagen noch einige Transporte hinauf in die luftigen Höhen des Berges, bevor wir wieder nach Hause fuhren.
Aber schon nach wenigen Tagen Heimat machten wir uns wieder auf den Weg in die Schweiz. Zusammen mit sechs neuen Fahrzeugen, die für diesen schwierigen Transporteinsatz optimiert worden waren, steuerten wir erneut das Tallager von Les Haudères an. Mir fiel dort die Aufgabe zu, die einheimischen Fahrer zu schulen, die Beladung zu überwachen und die Fahrzeuge technisch zu betreuen.
Dieser Einsatz unserer kleinen 25 PS-UNIMOG brachte viele neue Erfahrungen, die ich in regelmäßigen Berichten an das Werk festhielt und die zur ständigen Verbesserung des UNIMOG beitrugen.
Doch es gab auch weniger erfreuliche Situationen: Bei einer Fahrt ging die Lenkung des Fahrzeugs auffallend “hin und her”. Bei einer genaueren Untersuchung musste ich feststellen, dass die Kronenmuttern an den Spurstangen gelockert worden waren. Die Sicherungs-Splinte fehlten ganz. Für diese lebensgefährliche Sabotage gab es nur eine logische Erklärung: Einige Einheimische, die die Lizenz besaßen, mit ihren Mauleseln die Lasten in diesem schwierigen Gelände nach oben zur Baustelle zu transportieren, sahen sich durch den UNIMOG in ihrer Existenz bedroht.
Doch nicht nur sie beobachteten den Einsatz unserer Fahrzeuge mit Interesse.
Ganz allgemein fand die Tätigkeit des UNIMOG in den Schweizer Bergen große Beachtung in der Öffentlichkeit. Sogar die Baufirma selbst nutzte unsere Aktion für eigene Werbezwecke, und letztlich wurde dadurch auch die Schweizer Armee auf unseren UNIMOG aufmerksam, was später zu Aufträgen führte.
Dennoch: leicht waren unsere Einsätze hoch oben im Schweizer Gebirge nicht. Wie sehr die gefährlichen Fahrten an die Nerven gingen, wird vielleicht dadurch deutlich, dass ich eines Nachts schweißüberströmt nach einem Alptraum aufwachte und mich am offenen Fenster stehend fand, am Fensterrahmen festgekrallt.
Aber für mich als jungen Kerl war es trotz allem ein hochinteressanter Einsatz, an den ich heute noch oft und gerne zurückdenke.
Vor einigen Jahren bin ich nach einem Urlaub in Oberitalien auf dem Rückweg in Sion vorbeigefahren und habe mir die Gegend angesehen. Vieles hatte sich verändert – statt des Eselspfades führt heute eine asphaltierte Straße bis nach Arolla. Und abends beim Schoppen in der Kneipe freute ich mich zu hören, dass sich noch einige ältere Einwohner an unseren Einsatz mit den “Teufelsfahrzeugen” erinnerten.
Die Bände 1 und 3 der “Geschichten rund um den Unimog” sind zum Sonderpreis von 10 Euro im Unimog-Museum Gaggenau oder über www.buchundbild.de erhältlich.