Die Unimog-Musterbetriebe Murghof und Pfinzhof
Die Unimog-Musterbetriebe Murghof und Pfinzhof
Beim Aktionstag des Unimog-Museums am 30. September 2018 zu den Einsätzen „Ernte und Transport“ wurden viele Gaggenauer und viele Unimog-Fans erstmals darauf aufmerksam gemacht, dass die Gebäude auf der anderen Seite der Bundesstraße zum überwiegenden Teil früher zu einem landwirtschaftliches Mustergut der damaligen Daimler-Benz AG gehörten.
Hierzu Auszüge aus meinem Band 3 der „Geschichten rund um den Unimog“:
Als der Unimog 1951 nach Gaggenau umgezogen war, stellte sich die Frage nach einem Vorführgelände in der Nähe des Werkes. In Sichtweite bot sich das Hofgut Amalienberg an, ein damals üblicher landwirtschaftlicher Mehrzweckbetrieb mit Kartoffel- und Getreideanbau sowie Viehzucht. Mit ebenen Feldern sowie leichten und steilen Hanglagen war er ideal geeignet, den „universellen Einsatz“ des neuen Gaggenauer Produktes zu testen und zu demonstrieren. Das Gelände rund um den Amalienberg wurde daher für Vorführungen rege genutzt. Für die Idee, dort ein Schulungsgebäude mit Übernachtungsmöglichkeiten zu errichten, konnte der Gutsverwalter Kurt Hagen nicht gewonnen werden. Er wollte sich seinen landwirtschaftlichen Betrieb nicht noch häufiger durch die Schulungsteilnehmer stören lassen.
Ein weiteres landwirtschaftliches Vorführgelände wurde beim Winklerhof im heutigen Gaggenauer Stadtteil Winkel gefunden. Der Besitzer und Landwirt Karl Maier konnte den Besuchern über eigene Erfahrungen mit dem Unimog berichten, denn er hatte einen Unimog 70.200 – bereits 1949 bei Boehringer in Göppingen gebaut – täglich im Einsatz.
1953 war die Unimog-Schulung gebaut und eingeweiht worden. Sie steht heute noch neben dem Unimog-Museum.
Um die Wirtschaftlichkeit des Unimog in konkreten Fällen unter Beweis zu stellen, wurden Ende der 50er Jahre in der Nachbarschaft des Schulungsgebäudes der Murghof und im 40 km entfernten Grötzingen der Pfinzhof angepachtet. Beweisen wollte man damit auch, dass entgegen herrschender Meinung derartige Höfe ohne tierische Zugkraft wirtschaftlich betrieben werden können.
Der Murghof repräsentierte den typischen bäuerlichen Mischbetrieb mit 15 bis 30 Hektar und nur einem Unimog als zentralem Fahrzeug. Eingerichtet wurde ein Laufstall für Kühe mit Melkstand. Das Murgvorland wurde für Grünfutter gepachtet. Hinzu kamen Flächen im benachbarten Bischweier. Hatte doch bereits Albert Friedrich, einer der geistigen Väter des Unimog, immer wieder in Erinnerung gerufen, dass die Landwirtschaft „ein Transportgewerbe wider Willen“ ist. Hier konnte der Unimog seine Ladefläche und insbesondere seine Schnelligkeit zusätzlich einbringen.
Der Pfinzhof hingegen war ein reiner Ackerbaubetrieb ohne Viehwirtschaft mit 62 Hektar, wie er damals in Norddeutschland häufig anzutreffen war.
Die Bedeutung dieser Beispielbetriebe wird daran deutlich, dass sie 1958 über 3000 Besucher zählten. Darunter 427 Einzelkunden, 329 Besucher in Gemeindegruppen und immerhin 2.423 Besucher von Fachverbänden oder landwirtschaftlichen Berufsgruppen.
Die Erfahrungen in der Bewirtschaftung der beiden Musterhöfe wurden ausführlich in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften wie Deutsche Landwirtschaftszeitung, Deutsche Landwirtschaftliche Presse, Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Technik für Bauern und Gärtner publiziert.
Dass diese beiden Höfe eine hervorragende Ergänzung zu den Schulungen, Werksführungen und Vorführungen darstellten, belegen zahlreiche Schreiben. So ist in einem Brief der Alzeyer Automobil-Gesellschaft m.b.H. zu lesen: „Von der Möglichkeit, Unimog-Interessenten zu einer Besichtigung des Werkes Gaggenau einzuladen, machten wir regen Gebrauch und fuhren mit Bauernvereinen usw. nach Gaggenau. Wir dürfen hier besonders betonen, dass wir dabei von den maßgeblichen Herren im Werk Gaggenau volle Unterstützung in unseren Wünschen fanden. – Wenn wir hier die Beispielshöfe „Pfinzhof“ und „Murghof“ besonders nennen, so tun wir dies, weil wir damit unseren landwirtschaftlichen Interessenten ein vorbildliches Beispiel des Unimog-Einsatzes zeigen konnten. Gerade dadurch konnte sich mancher Interessent zum Kauf eines Fahrzeuges entschließen, denn in der Werbung wird das gezeigte Beispiel immer den größten Erfolg erzielen.“
Karl-Heinz Gutmann, heute ehrenamtlicher Helfer im Unimog-Museum, betreute viele Besuchergruppen. Gelegentlich, so Gutmann, wurden auch Prospekt-Fotos gemacht. Eines hat noch heute bei ihm in der Wohnung einen Ehrenplatz. Es zeigt ihn beim Betanken eines Unimog beim Murghof. Aufgenommen hat dieses Bild der langjährige Pressereferent des Unimog-Bereichs, Siegfried Köppe. Und so sind auch seine Frau und sein Sohn Heinrich mit auf dem Bild. Den Steiff-Unimog gibt es heute noch in der Familie Köppe.
Siegfried Köppe, der auch die Schriftleitung der Kundenzeitschrift „Unimog-Ratgeber“ hatte, hörte eines Tages den Verwalter des Murghofes, Dr. Reinhardt, Besuchern gegenüber sagen: „In diesem großen Gebäude wohnt nur noch der Verwalter, denn die anderen Arbeitskräfte brauchen wir dank des Unimog nicht mehr!“ – Köppe reagierte sofort und bald darauf zog der gelernte Diplom-Landwirt und Agrarjournalist mit seiner vierköpfigen Familie zusätzlich im Murghof ein. Seine Frau als Bauerntochter fühlte sich dort sehr wohl. Und wenn sich am Wochenende mal ein unangemeldeter Besucher auf dem Murghof zeigte, übernahm Köppe die Führung.
Hilfreich für die Arbeit von Siegfried Köppe in der Schriftleitung des Ratgebers und beim Texten von Verkaufsunterlagen war natürlich auch, dass er durch die Einsatzversuche auf dem Murghof und dem Schulungsgelände sehr früh mit allen Neuentwicklungen konfrontiert wurde. Informationen, die dann immer noch fehlten, steuerten seine Kegelbrüder aus der Entwicklung und dem Vertrieb bei.
Verwalter des Murghofs war dann von 1959 bis 1972 Günter Hopfgarten (siehe Bild oben) mit seiner Frau Liselotte. In diese lange Zeit fiel auch 1967 die Aufgabe der Milchwirtschaft und der Aufbau einer Schweinezucht.
Der Murghof wurde 1976 abgepachtet, da das Konzept nicht mehr den damaligen Verhältnissen in der Landwirtschaft entsprach. Der Pfinzhof wurde in Bauland umgewandelt.
Ab Mitte der 70er Jahre war die Unimog-Schulung im Wesentlichen nur noch Depot für Anbaugeräte und Lager für Verkaufsmaterialien.
Dr. Kurt Albus und die Unimog-Musterbetriebe
Im Heft’l 89 des Unimog-Club Gaggenau wurde von mir der Leiter der Anwendungstechnik im Unimog-Versuch, Dr. Kurt Albus, vorgestellt.
Im Juni 1953 hatte er seine Doktorarbeit mit dem Thema „Die Entwicklung der motorischen Entwicklung zum Säen und Hacken von Getreide und Rüben sowie zur Kartoffelkultur – Grundlagen, Gang und Zukunftsaussichten“ an der Uni Hohenheim abgeschlossen. Als besonders positives Beispiel war darin bereits der Unimog mit Fronthackgerät enthalten.
Am 1. September 1953 fing der frisch gebackene Doktor dann im Unimog-Versuch an. Er erinnert sich, dass dieser noch in einer ‚besseren Baracke’ untergebracht und eine kleine Ausstellung und die Ersatzteilversorgung mit dabei waren. Bereits nach kurzer Zeit erprobte er zunächst in der Nähe von Worms und dann wochenlang in ganz Westdeutschland mit seinen Kollegen Willi Seitz und Ludwig Wohlfahrt den Stoll-Rübenvollernter. Voller Stolz präsentierte er diesen auch an seiner früheren Hochschule in Hohenheim.
Seine Kollegen amüsierten sich, wenn Albus während des Fahrens in extremer Liegestellung den Verlauf der Rübenrodung fotografierte. Fortan war er der Rübenspezialist. Dies führte auch dazu, dass er bei Hoegen-Dijkhof in Holland diese Geräte mit besonderer Smaring-Schar für feuchte Böden studierte und dann präsentierte. Albus resümiert heute: „Nirgendwo kommen Natur und Technik so eng zusammen wie bei der Rüben- und Kartoffelernte!“
Bereits 1952 hatte der Unimog-Bereich ein ganzes Jahr lang versucht, in Jugoslawien mit dem Unimog Fuß zu fassen um dort die Landwirtschaft zu motorisieren – oder sogar zu Unimog-isieren. Bis dahin galt immer noch als Regel, dass zu einem landwirtschaftlichen Betrieb auch ein Pferd gehört.
Wegen dieser beabsichtigten Motorisierung der Landwirtschaft türmten sich auch in einer Halle des Unimog-Versuchs unzählige Maschinen und Anbaugeräte, die Albus in mühseliger Kleinarbeit und mit Hilfe einer Kranbahn sortierte um danach die weitere Verwendung mit den Herstellern zu klären. Zwischen 1954 und 1957 wurde Albus dann als Gruppenleiter mit sechs Mitarbeitern für die Geräteerprobung und -freigabe verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehörten dabei auch Vorträge bei Verkäuferschulungen – natürlich insbesondere über den Rübenvollernter.
Als großes Schaulaufen bezeichnet heute Albus eine Vorführung vor einem indischen Maharadscha im Beisein der gesamten Unimog-Hierarchie sowie einiger ‚Zentralisten’ im Jahr 1955 auf einem Versuchsgut der Südwestdeutschen Saatgut GmbH im Raum Rastatt (heute ist dort das Pkw-Werk Rastatt von Mercedes-Benz). Vorgestellt wurde das gesamte Jahresprogramm von der Saat bis zur Ernte mit Front-, Heck- und Seitenanbaugeräten einschließlich Schädlingsbekämpfung.
Auch hierbei wollte man wieder beweisen, dass die landwirtschaftliche Vollmotorisierung mit dem Unimog gewährleistet werden kann. Mit dem gleichen Ziel wurden immer wieder landwirtschaftliche Betriebe für Versuchseinsätze gewonnen.
Dabei stieß Albus auch auf den Pfinzhof bei Karlsruhe-Durlach. Als er dort ankam, war gerade eine LANZ-Raupe mit Anhängepflug im feuchten Gelände hängengeblieben. Albus besorgte zwei Unimog im benachbarten Gaggenau und zwei Stunden später war der LANZ samt angehängtem Pflug rausgezogen. Ein anschließendes Gespräch mit dem Bewirtschafter Dr. Eckard aus Hohenwettersbach mündete dann in Überlegungen, den Hof für den Unimog als Versuchsgut zu pachten. Es musste schnell gehen und Albus erhielt zu seiner eigenen Überraschung vom Kaufmännischen Leiter des Unimog-Bereichs Dr. Alfred Rummel und vom Versuchsleiter Christian Dietrich grünes Licht, selbst mit dem Vorstand von Daimler-Benz Kontakt aufzunehmen. Leiter des Vorstandssekretariats war Dr. Hanns Martin Schleyer, der ebenfalls sofort einwilligte. Der erste Schritt auf dem Weg zum späteren Nachweis einer möglichen Vollmotorisierung der Landwirtschaft mittels Unimog war gemacht. Der Verwalter des Pfinzhofs, Diplomlandwirt Hans Bühler, wurde daher auch gleich mit verpflichtet.
Durch Erprobungen und Vorführungen bestanden bereits Kontakte zum Murghof. Mit dem Staatlichen Liegenschaftsamt in Baden-Baden konnte Albus als nächsten Schritt die Pachtung des Murghofs vereinbaren. Auch hier wurden der bisherige Verwalter und sein Mitarbeiter gleich mit übernommen. Und um die Fläche zu erweitern, wurde als „Seilwindenversuch“ eine Waldfläche am Hang gerodet.
Der Kaufmännische Leiter des Unimog-Bereichs, Dr. Alfred Rummel, legte Wert darauf, dass der Nachweis der landwirtschaftlichen Vollmotorisierung wissenschaftlich begleitet wird. Hierfür konnte Albus an der Uni Hohenheim den Jungwissenschaftler Dr. Theo Bischoff gewinnen, der eigentlich bereist eine Zusage des Landwirtschaftsministeriums hatte. Auf Vermittlung von Dr. Rummel wurde zudem Dr. Reinhardt für diese Aufgabe gewonnen.
Zahlreiche Fachaufsätze in landwirtschaftlichen Zeitschriften und in Publikationen des Unimog-Bereichs erschienen in der Folgezeit von Bischoff und Reinhardt. Darin werden beispielsweise der Murghof und der Pfinzhof ausführlich vorgestellt, um dann in verschiedenen Tabellen den Anbau, die Ernteerträge und die Düngung, den Maschineneinsatz vom Unimog bis hin zu Kleingeräten, den Jahres-Arbeitsplan mit den verschiedenen Fruchtarten und den Zeitplan der Bestellung und der Ernte und natürlich – das Wesentlichste – den wirtschaftlichen Erfolg vorzustellen. Hinzu kamen Führungen auf dem Pfinzhof und dem Murghof für das Fachpublikum, das in großer Zahl anreiste. Dies ganz im Sinne von Max Eyth, um den Unimog den Experten bei der Arbeit zeigen zu können. Es waren somit die Vorläufer der späteren Feldtage.
Soweit der Auszug aus der Vorstellung von Dr. Kurt Albus im Heft’l 89.
Beispiel eines Fachberichts aus dem Jahr 1960 zum Murghof
1960 beschreibt Dr. Theo Bischhoff, Uni Hohenheim, in der Fachzeitschrift “BAUEN AUF DEM LANDE” wie er vier Jahre zuvor daran mitwirkte, den von der damaligen Daimler-Benz AG gepachteten Murghof zu einem landtechnischen Beispielbetrieb – einem Feldhäxelhof – umzubauen. Darin heißt es: “Der Betrieb muß sich nach erfolgter Umstellung selbst tragen und die laufenden Kosten der Mechanisierung decken können.
Besonders interessant sind die Aufnahmen vor und nach den Umbaumaßnahmen.
Michael Wessel
14. 10. 2018