70 Jahre Unimog-Idee – März 1946

Zweiter Gesamtentwurf des späteren Unimog von Heinrich Rössler - . März 1946

Zweiter Gesamtentwurf des späteren Unimog – Heinrich Rössler –  März 1946

 Wenn besondere Meilensteine auf dem Weg zum späteren Unimog zu definieren sind, dann gehören die Erweiterung des Entwicklungsteams durch Heinrich Rössler als Konstruktionsleiter im Januar 1946, sein erster Gesamtentwurf vom 28. des gleichen Monats, sein zweiter Gesamtentwurf vom 6. März 1946 und die darauf aufbauende Denkschrift „Universal-Motorgerät für die Landwirtschaft“ vom 13. März 1946 dazu.

70 Jahre Unimog_Idee

 

 

 

 

Zu seinem zweiten Gesamtentwurf schreibt Heinrich Rössler in seinem Aufsatz „So entstand der Unimog“:

„Dabei ergab sich, dass alle vier Laufradvorgelege mit den Bremsen gleich sein konnten und dass die Blechkörper der Achskörper für Vorder- und Hinterachse ebenfalls gleich waren. Außerdem hatte das Fahrgestell nur vier Antriebsgelenke: zwei Doppelgelenke in den Vorderachsschenkeln und zwei Einfachgelenke in den Schubkugeln. Bei einer Spurweiter von ca. 1.270 mm (2 Kartoffelreihen) ergab sich zwischen dem Radkasten des linken Vorderrades und der ins Fahrerhaus hineinragenden Motorhaube ausreichend Platz für das Fußhebelwerk.

Zur gleichen Zeit wurde bereits an den Laufradvorgelegen mit Bremsen für die Portalachsen und am Fahrgestellrahmen mit Querträgern gezeichnet.“

Titel der Denkschrift vom 14. März 1946

Titel der Denkschrift vom 13. März 1946

Denkschrift vom 13. März 1946

Die Zustimmung der Alliierten Militärbehörde zum Bau von Prototypen war 1945 auf Basis der von Walter Benseler erstellten Unterlagen erteilet worden. Da seit Eintritt von Heinrich Rössler ein völlig anderes Konzept verfolgt wurde, war es erforderlich, dieses zur weiteren Genehmigung detailliert darzustellen. Daher wurden in einer Denkschrift vom 13. März auf elf Seiten dargestellt, welche Gedanken zur Entwicklung des Universal-Motorgerätes führten, welche wesentlichen technischen Daten das Fahrzeug haben sollte, zu welchem Preis es potentiellen Abnehmern angeboten werden kann und es wurden die bisherigen und geplanten Entwicklungsschritte beschrieben. Abgerundet wird die Denkschrift durch eine Liste der befragten Sachverständigen und eine Ermittlung des Materialbedarfs bei geplanten 10 Fahrzeugen in 1946 und 660 Fahrzeugen in 1947.

Interessant ist sicherlich auch, dass im März 1946 bereits Teile in Fertigung waren und dabei davon ausgegangen wurde, dass „noch zum Frühjahr Versuchsgeräte fertiggestellt werden sollen“.

Diese Denkschrift wurde am Folgetag, dem 14. März 1946, Herrn Dr. Conrad von der Militärregierung in Stuttgart übergeben. Eduard Köhler, Mitinhaber von Erhard & Söhne in Schwäbisch Gmünd, hat dies protokolliert. Es ist ein wertvolles Zeitdokument und wird daher im Anschluss in voller Länge wiedergegeben.

In den letzten beiden Abschnitten wird auf die „Universal-Landmaschine“, wie das „Universal-Motorgerät für die Landwirtschaft“ auch bezeichnet wurde, besonders eingegangen.

Michael Wessel

 

Quellen: Werner Schmeing, Hans-Jürgen Wischhof „Traktoren der Daimler AG“ Band 1, Frankfurt 2009; Eva Klingler, Michael Wessel: „Geschichten rund um den Unimog“, Band 1, Ettlingen 1992; Michael Wessel: „Geschichten rund um den Unimog“, Band 3, Gaggenau sowie Protokolle und Schriftwechsel.

 

Zum Protokoll hier klicken:

 

Besuch am 14. 3. 46 bei Herrn Dr. Conrad, Militärregierung Stuttgart

 Der Unterzeichnete und Herr Friedrich sprachen bei Herrn Dr. Conrad einerseits wegen der Melkeimer- und Milchfilterangelegenheit vor, andererseits wurde in fünffacher Ausfertigung eine Denkschrift in englischer Sprache des Universal-Landgeräts überreicht.

Die allgemeinen Eindrücke, die wir dabei sammeln konnten, mögen hier in groben Umrissen geschildert werden.

Dr. C. ist anscheinend der deutsche Bearbeiter des Büros von Major Howard. Beide haben als Arbeitsraum ein kleines Zimmer in der Militärregierung. Major Howard ist jedoch höchst selten anzutreffen. In diesem kleinen Zimmer warten alle Geschäftsleute auf Abfertigung. Verhandelt wird in aller Öffentlichkeit, sodass jeder hört, was dem anderen genehmigt oder abgelehnt wird.

Aufgabe des Büros von Major H. ist, wie aus einer mehrstündigen Beobachtung hervorging, die Lenkung eines enormen Wirtschaftssektors. Beinahe jegliche Art von Rohmaterial incl. Nahrungserzeugung soll gesteuert werden. In den Wartestunden waren wir Zeuge wie, um nur einige zu nennen, folgende Probleme behandelt wurden:

Der Wiederaufbau von Karlsruhe, Pforzheim, Bruchsal, die Konservendosen-Erzeugung von Württ.-Baden und Hessen. Zu dieser Dosenfrage war interessant zu hören, dass nur zur Konservierung der für unser Gebiet in diesem Sommer anfallenden Lebensmitteln wie Fleisch, Erbsen, Bohnen, Obst 12 000 Tonnen Blech benötigt werden. Diese Bleche sind vom Kontrollrat weder genehmigt, noch sind sie gewalzt. Das Zinn für Obstkonservendosen – wir hörten die Zahl von 60 Tonnen – hängt völlig in der Luft. Die anwesenden Konservenfabrikanten, sowie die Dosenfabrikanten stellten die Gefahr der Nichterfassung der zu konservierenden Lebensmittel sehr eindringlich dar: Ein kurzer Überfluss während der Sommermonate und ein vollständiges Fehlen der Konserven in den Wintermonaten. Bei weiterer Zuwanderung von Ostflüchtlingen ein besonders verhängnisvoller Faktor.

Neben diesem wichtigen Gebiet wurde verhandelt: Der Wiederaufbau von Mühlen. Für letztere war wenig Sympathie zu spüren. Die Mühlenbranche war anscheinend auch stärker besetzt als notwendig.

Herstellung von Hefe zu Nahrungsmittelzwecken:

Eine Zellstoffabrik aus Mannheim meldet, dass sie monatlich 60 Tonnen Speisehefe in den Rhein fließen lasse und dies schon seit Monaten, da sie einen kleinen Zuschuss an Kohlen zur Aufbereitung der Hefe nicht bekomme.

Die Bitt- und Fragesteller die mehr auf unserem Gebiet lagen, wollten Produktionsgenehmigungen oder Material für Traktoren, Milchgeräte u. a.

Herr Dr. C. ist zweifellos die allein-treibende Kraft dieser Behörde. Seine Kenntnisse sind umfangreich, seine Art, zu verhandeln, ist angenehm, wenn auch ungewöhnlich. Für die enorme Aufgabe kann aber selbst ein Mann von großer Arbeitskraft nicht ausreichen. Es fehlen ganz entscheidend fähige Mitarbeiter und Räumlichkeiten. Die Akten türmen sich zu Bergen. Es werden 1000 Dinge behandelt, jedoch konnten wir in den Stunden des Wartens keinen Besucher feststellen, der mit einer endgültigen Genehmigung oder einem wirklich zufriedenstellenden Bescheid gegangen wäre.

Daran ist aber noch ein weiterer Umstand schuld. Es sollen hier nämlich Dinge verteilt werden, die anscheinend gar nicht da sind.

So ergab die Besprechung über Milchgeräte folgendes Bild:

Herr Dr. Conrad hatte bekanntlich 5 oder 6 Firmen, darunter auch uns, zur Bewältigung des Stoßbedarfs an Milchgeräten herangezogen. Bei der Besprechung in Notzingen hatten sich diese Firmen die Interessengebiete abgegrenzt. Für uns waren Melkeimer und Milchfilter verblieben. Erhebungen über den Werkstoffbestand sind verschiedentlich Dr. C. zugegangen. Wir warten nunmehr seit einiger Zeit auf den Eingang einer Bestellung, einer Materialzuweisung, oder wenigstens einer Dringlichkeitsbescheinigung.

So klar, wie wir die Dinge sehen, liegen sie nun anscheinend nicht. Dr. C. kommt immer wieder darauf zurück, dass zuerst genaue Materialerhebungen an Blechen und Schrott von unseren Firmen zu machen seien. Auf den Einwand, dass dies schon geschehen sei, erwidert er, dass die ganzen Firmen geschwindelt hätten. Es scheint eben so zu sein, dass kein Werkstoff zumindest für den Anlauf vorhanden ist. Die Einstellung von Dr. C. ist immerhin verständlich, wenn man feststellen muss, dass die Firma Ritter genügend Werkstoff hat, um ohne die Bestellung Dr. Conrads an ihre Kunden zu liefern. Herr Ritter teilte mir im Zimmer von Dr. C. dies mit.

Zweifellos verfügt Ritter über große Werkstoffmengen, sonst könnte er gar nicht arbeiten, andererseits gibt er diese Mengen Dr. C. nicht bekannt. Das Gespräch zwischen Dr. C. und Ritter war jedenfalls sehr aufschlussreich und nicht gerade sehr freundlich.

Unsere Lage halte ich für günstig, wenn wir nicht versuchen, in rechthaberischer Weise Dr. C. zu zwingen, uns sofort Werkstoff zu liefern, sondern ihm im Gegenteil reinen Wein einschenken, wie viel Werkstoff wir noch haben (evtl. unter Opferung der Behr’schen Flachrohre). Ohne einen solchen Zuschuss an eigenen Werkstoffen werden wir bestimmt nie zum Zuge kommen, denn Dr. C braucht zunächst unsere Unterstützung.

Sein Verhalten den Vertretern der Fa. E.&S. gegenüber war so auffallend freundlich und bevorzugend, dass es allen Anwesenden auffallen musste. Es wäre deshalb höchst unklug, sich dieses Wohlwollen wieder zu verscherzen.

Nicht ganz verständlich ist eine neue Sitzung, die anberaumt wurde und zwar auf Donnerstag, den 21.3.46 in Stuttgart, wo wieder über die Milchgeräte gesprochen werden soll, diesmal vor einem erweiterten Kreis (Rieger Aalen, Dir. Nanz Milchzentrale Stgt. u.a.).

Diese Besprechung kann nur den Zweck haben, gerade in der Materialangelegenheit die Betriebe einander gegenüberzustellen, sodass diejenigen, die nichts zu bieten haben, ausscheiden. Etwas anderes kann ich mir nicht denken, da sonst sämtliche Punkte klar sind.

Wir sollen auch bis dahin in Englisch und Deutsch eine Tabelle über Planung, Gewicht usw. mitbringen.

Die Universal-Landmaschine hat Herr Dr. C. bei seinem letzten Besuch in unserem Betrieb sehr günstig aufgenommen. Es wurde in unserer Gegenwart die Firma Allgaier Uhingen sehr brüsk abgefertigt, als sie mit dem Plan eines Ackerschleppers herausrückte. Die Anspielung, dass bessere Dinge im Werden seien, war deutlich auf unser Gerät bezogen.

Dr. Conrads Plan ist, unsere 5 Versuchsgeräte unter allen Umständen zu fördern, dann einen Vergleich herbeizuführen mit einer anderen Entwicklungsstelle, die ebenfalls etwas plant. Entweder wird dann das Lebensfähigere siegen, oder es wird eine konstruktive Vereinheitlichung der beiden Ideen herbeigeführt werden.

Bis dahin ist es jedenfalls sehr wichtig, sich soviel wie möglich die Zeit zu nehmen, um Dr. C. über die Entwicklung zu berichten.

Abschließend kann gesagt werden, dass gerade durch die Verbindung der Milchgeräte mit der landwirtschaftlichen Universalmaschine eine sehr breite Verhandlungsgrundlage geschaffen worden ist, um mit der Militärregierung Stuttgart und damit auch mit dem Länder-, sowie dem Kontrollrat in Verbindung zu kommen.

Es handelt sich nun darum, dieses Eisen so lange wie möglich warm zu halten, um, wenn auch nach vielen Umwegen und Mühen davon zu profitieren.

(Wichtig ist bei Anrufen: Sekretärin Frau Raitinger).

Kurzzeichen Eduard Köhler

Buch und Bild Unimog Literatur
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