Im Oktober 1945 konnte die Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines „Motorgetriebenen Universalgeräts für die Landwirtschaft“ ihre Arbeit bei Daimler-Benz nicht fortsetzen. Ihr Leiter, Albert Friedrich, schreibt dazu in seinen „Auszügen aus der Entwicklungsgeschichte des Unimog-Fahrzeuges“ unter Oktober 1945 selbst:
„Die Arbeiten waren bis dahin noch nicht weitergekommen, als das Gesetz Nr. 8 der Alliierten erschien, das grundsätzlich jede Weiterarbeit von Personen, die irgendwie als Parteimitglieder oder sonstwie durch ihre Tätigkeit im Kriegseinsatz mit diesen Dingen verbunden waren, verboten hat. Damals musst auch Herr Dr. Haspel, der unter das Gesetz Nr. 8 fiel, für längere Zeit bei Daimler-Benz ausscheiden. Dasselbe traf auf Direktor Friedrich und seine bis dahin in kleinstem Rahmen arbeitenden Mitarbeiter zu, sodass eine Weiterarbeit bei Daimler-Benz selbst nicht möglich war.“
Beantragung der Production Order
Aber Albert Friedrich hatte ja parallel mit der Metallwarenfabrik Erhard & Söhne bereits intensive Gespräche bezüglich einer möglichen Entwicklung des „Motorgetriebenen Universalfahrzeuges für die Landwirtschaft“ geführt. Als wesentlichen Schritt beantragte er mit Datum vom 7. Oktober 1945 bei der amerikanischen Militärbehörde in deutscher und englischer Sprache auf seinen Namen eine sogenannte „Production Order“ für den Bau von zehn Prototypen. Die Zeichnung basiert auf der Reinzeichnung von Walter Benseler vom 7. September, es fehlt jetzt allerdings der Mercedes-Stern.
Suche nach Geldgebern
Am 23. Oktober 1945 hatte Albert Friedrich auf Vermittlung von Erhard & Söhne ein intensives Gespräch mit dem Schwäbisch Gmünder Unternehmer Dr. Otto May, denn er schreibt ihm am Folgetag einen dreiseitigen Brief, in dem er ausführlich seine Kalkulation für die Entwicklung und den Bau des Landgerätes bis hin zum Verkaufspreis vorstellt. Darin ist unter anderem zu lesen: „Die Annahme für Arbeitszeit und Materialkosten habe ich , wie aus der Aufstellung wiederum zu entnehmen ist, nach dem Friedensverkaufspreis des bekannten 1,7 Ltr.-Chassis angenommen. Für den erhöhten konstruktiven Aufwand des Vierradantriebes und des Getriebes sowie Verstärkung gewisser Teile habe ich einen Zuschlag von etwa 30 % auf das Material und von 55 % auf die Löhne genommen. … Die Kostenentwicklung, besonders auf der Materialseite, ist natürlich heute nicht übersehbar und beeinflußt wohl entscheidend den Verkaufspreis, wird aber in der relativen Betrachtung insofern keine Rolle spielen, als die Unkosten für alle übrigen Verkaufsobjekte wohl gleichmäßig steigen werden, so daß gleichartige Traktoren und Automobile mit ähnlichen Verkaufspreisen kommen werden. … Im Sinne unserer Unterredung habe ich den Verkaufspreis nun mit RM 3 750.- angenommen, weil dies auch dem Verkaufspreis eines 1,7 Ltr. Mercedes-Benz z.B. entspricht und für den konstruktiven Begriff des Gefährts sicher eine gute Vergleichsbasis bildet. Mit diesem Preis ist das Gefährt auf jeden Fall noch billiger als die meisten bekannten Traktoren und dazu kommt die viel weitergehende Verwendungsmöglichkeit gegenüber einem reinen Traktor.“
Lizenzfertigung in der Schweiz?
Und weiter heißt es: „Bezüglich einer Beteiligung eines Ihrer Schweizer Bekannten könnte ich mir als Gegenleistung vorstellen eine nach dem Abschluß der Entwicklung zu erfolgenden Überlassung der Konstruktion, bei der Konstruktionsgedanke und Entwicklungskosten zusammen mit etwa RM 200 000,–, vielleicht auch noch höher zu veranschlagen wären und wobei vielleicht noch eine Stücklizenz in Verrechnung in Frage käme.“
Michael Wessel
Quellen: Eva Klingler, Michael Wessel: „Geschichten rund um den Unimog“, Band 1, Ettlingen 1992, Michael Wessel: „Geschichten rund um den Unimog“, Band 3, Gaggenau sowie Protokolle und Schriftwechsel.
Diese im Mai 2015 begonnene Serie wird hier in der Unimog-Community monatlich fortgesetzt.