Vor 60 Jahren, am 24. März 1955, wurde im Mercedes-Benz Werk Gaggenau der 10 000. Unimog gebaut. Seine Entwicklungsgeschichte reicht sogar 70 Jahre zurück, denn nach Verkünden des Marshall-Planes hatte sich der frühere Leiter der Daimler-Flugmotorenentwicklung, Albert Friedrich, Gedanken zu einem „landwirtschaftlichen Allzwecktraktor“ gemacht. Seine Ideen diskutierte und konkretisierte er im Mai 1945, also direkt nach Kriegsende, mit dem Diplom-Landwirt Erich Grass und im Folgemonat mit ehemaligen Mitarbeitern. Im August 1945 entstanden erste Zeichnungen und zwei Monate später erhielt Friedrich von der amerikanischen Militärbehörde die Genehmigung, eine sogenannte „Production Order“, zum Bau von zehn Prototypen. Mit deren Entwicklung wurde im Dezember 1945 in der Metallwarenfabrik Erhard & Söhne in Schwäbisch Gmünd, begonnen. Realisiert wurden dann jedoch ein revolutionäres Konzept von Heinrich Rößler, der im Januar 1946 zum Entwicklungsteam stieß. Ab Unimog-Prototyp Nummer 5 erhielten sie einen 25-PS-Motor, den OM 636, von Daimler-Benz.
Unimog-Montage ab 1951 in Gaggenau
Nachdem ab Februar 1949 in der Maschinenbaufabrik Gebr. Boehringer in Göppingen 600 Unimog gebaut worden waren, wurde der Unimog-Bereich von der damaligen Daimler-Benz AG übernommen, und die Produktion begann im Juni 1951 in Gaggenau.
Das Gaggenauer Produktionsjubiläum des 10 000. Unimog war am 24. März 1955 ein Grund zum Feiern und so war am Folgetag auf der Landesseite des Badischen Tagblatts ein „eigene Bericht“ zu lesen. Er ist so amüsant geschrieben, dass wir ihn hier in Auszügen wiedergeben:
„Strahlendes Frühjahrswetter mit beinah sommerlicher Wärme lag über den Straßen. Wer gestern am Steuer seines Wagens – und es waren derer viele – in Richtung Gaggenau durch das malerische Murgtal fuhr, dem brannte die Sonne wohl „auf’s Dach“: Frühlingsfesttagsstimmung in des Wortes wahrster Bedeutung, denn man fuhr zu einer Geburtstagsfeier, zu der die Mercedes-Benz-Werke in Gaggenau geladen hatten. Der 10 000 Unimog, „Allround-man“ in der Familie der Automobile, verließ das Fließband.
Noch stand er da, mit Tannengrün liebevoll geschmückt und mit der Zahl „10 000“ feierlich dekoriert, vom Werkskran umschlungen, der ihn erst dann freigeben sollte, wenn der jüngste Unimog seinem Besitzer übergeben, die erste Ehrenrunde gedreht würde.“
Im Zeitungsbericht ist dann zu lesen, dass Direktor Albert Friedrich die Entstehungsgeschichte des Unimog in Erinnerung brachte, und dass im Jahr 1955 wegen der großen Nachfrage neben den bereits vorhandenen 1000 Mitarbeitern weitere 200 „Arbeit und Brot finden werden“.
Und der Berichterstatter schwärmt dann: „Dass der Unimog – und mit ihm die Stadt Gaggenau – inzwischen zu einem Begriff in aller Welt geworden ist, versteht sich von selbst, denn ob der Farmer in Alabama oder der Pflanzer in Santos, der Landwirt in Skandinavien oder der Pionier in Afrikas zu erschließender Wildnis einen kräftig zupackenden und keine Arbeit scheuenden vierrädrigen Kameraden brauchen: wer diesen im Unimog gefunden hat, weiß was er gefunden hat, einen Helfer, dessen Charakteristikum in der Rationalisierung der Arbeit liegt.“
Und dann, so der Bericht, kam der große Augenblick: Die Murgschifferschaft eine Holzhandelsgesellschaft in unmittelbarer Nachbarschaft, nahm den 10 000. Unimog in Empfang. Dies aus Dankbarkeit, dass sie als Kunde nicht nur die Wirtschaftlichkeit des Unimog erkannt sondern sich auch zum Vorzeigebetrieb entwickelt hatte. Deren Forstmeister Otto Neukum sprach an, dass der Unimog erst durch die Anbaugeräte zum Universal-Motorgerät wird und freute sich, dass man durch die Verwendung eines neuen Wegbauzusatzgerätes erstmalig in der Lage sein wird, eine großen Teil der Handarbeit auf dem Gebiet der Wegunterhaltung abzustellen und mit dem Unimog durchzuführen. Der Transport von Schichtholz, Steinen, Wildgattern und Pflanzen im Forstbezirk ermögliche zudem die restlose Ausnutzung des Fahrzeuges.
Und weiter heißt es: „Unter dem Beifall der Gäste und der Belegschaft fuhr schließlich der 10 000. Unimog aus der Werkhalle – ein neuer Zeuge Gaggenauer Mercedes-Wertarbeit, die nicht zuletzt auch hier wieder eine Beweis für Präzision und Leistungsfähigkeit erbrachte. Gute Fahrt, gute Arbeit!“
Soweit der Bericht des Badischen Tagblatts von Ende März 1955.
Mit dabei war auch der spätere Exportleiter Manfred Florus, seinerzeit noch „Verkaufsinspektor Ausland“, wie er heute aber sagt auch „Mädchen für Alles“. So hatte er im Jahr zuvor die traditionsreiche Murgschifferschaft als Musterbetrieb für den Einsatz des Unimog im Forst gewonnen. Dessen Maschinenhof verfügte neben den genannten fünf Unimog über viele Geräte für den Ganzjahreseinsatz wie Schneepflüge, Rückeaggregate, Profiliergeräte für Waldwege und Anhänger. Letztere kamen auch aus der Region – von Müller im 50 Kilometer entfernten Mitteltal. Zudem hatte die Murgschifferschaft eine gut ausgestattete Werkstatt.
Entgegen der Aussage im Bericht des Badischen Tagblatts rollten die Fahrzeuge, ein Unimog 401 mit 25 PS, aber nicht vom Montageband, wie sich Manfred Florus erinnert. Die Unimog wurden auf einem „Querband“ montiert, am Ende von einem Kran angehoben und danach auf dem Rollenprüfstand wieder abgesetzt. Jetzt erst konnten sie selbst rollen – vom Prüfstand aus.
Unimog-Montage seit 2002 in Wörth
Diesem 10 000. Unimog sollten allein in Gaggenau mehr als 300 000 folgen, wodurch auch der Spruch geprägt wurde: „Gaggenau isch Unimog – und Unimog isch Gaggenau!“. Ab 2002 wurde der Produktbereich Unimog in das Mercedes-Benz Werk Wörth verlagert.
Seit Einführung der Euro-VI-Motoren im Jahr 2013 besteht das Unimog-Programm aus zwei Baureihen – den hochgeländegängigen Unimog U 4023/U 5023 (170 kW/231 PS) und den Geräteträgern U 216 bis U 530 – mit einem Leistungsbereich von 115 kW (156 PS) bis 220 kW (299 PS), dabei stellt die Erreichung der 300-PS-Marke einen neuen Spitzenwert in der Unimog-Historie dar.
Fotos: Daimler AG
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